Zur Eröffnung "meines" Kindergärtnerinnenseminars in Amriswil hielt ich eine kurze Ansprache. Ich hatte als Symbol für die Entwicklung der Schule, wie sie mir vorschwebte, eine Bergtour als Bild gewählt. Als wir im Anschluss an die Feier zum Essen wanderten, sprach mch Dino Larese an und sagte: "Nicht wahr, Sie schreiben!" Es war eine Feststellung und keine Frage. Er bat mich, Gedichte lesen zu dürfen und bot mir danach an, ein Bändchen in seinem Verlag der Amriswiler Bücherei zu veröffentlichen. So erschien 1976 "Brücken" und 1980 in der gleichen Aufmachung "Aber die Sternschnuppe will ich". Sie können in der Kantonsbibliothek Thurgau ausgeliehen werden.
Sommer
Der See schwingt leicht
mein
Vogelfederlot singt mit und atmet
sonnenwarm im Wellenspiel
In meiner Mitte
flecht ich
mir
mit leichter Hand
ein buntes Nest und kleid es aus
mit Blütenduft und leisen Liebesliedern.
Über den Mooren
Meine
verlorenen
Brautschleier wiegen sich
über den Mooren
in die du
nicht
versunken bist.
Der wiedergeborene
Mond
ist heute deutlich zu sehen.
Die Wolken ziehen
in grösser werdenden Abständen
über mein Gesicht.
Zerfressen
Die Hände auf dem Bauch
der Welt
bricht
der Tod
unter meinen Fingern
aus dem Nabel.
Das Sonnengeflecht ist
längst zerfressen.
Jahre
Das Geflecht
der Jahre
immer neu
verwoben sanft und zart
und fest und knorrig
Alle
Lebensjahre alle
Schmerzen
Freuden
Glück und Trauer
Alles weiter
flechten weben
träumen
Fäden fassen
sanft und zart und
fest und knorrig
Sternfäden
In allen Nächten
suche ich
sammle ich
die Sternfäden
binde sie eilends an die Räder
vorbeidonnernder Züge
werfe sie über die ziehenden Wolken
sende aus
sammle ein
in allen Nächten.
Zerkratzt
Die zerkratzten
Flügel
taub im Staub
liegend
analysiert, verkehrt, verquert
jede Farbschuppe
im Rastermikroskop verblendet
verendet
der lindenblütentrunkene
Sommervogelflug
zu Ende
Halbzeitwert
Der Halbzeitwert
für
die Angst ist kleiner
als für Cäsium.
Die Erinnerung
kommt zu spät.
Unterwegs
Lange
den trockenen Teer
unter
meinen lahmgelaufenen
Alltagssohlen
ausgezogen
die blossen Füsse
tastend auf glänzenden Kieseln
im farbig
fliessenden Wasser
unterwegs
Träge Tage
Träge die Tage
langsam schmelzende
Winterflocken
in Wasserlachen
sich plötzlich spiegelnde Sonne
Morgen
wird meine Amsel singen
Federschuppen
Die schäumend schreiende
Gischt
wäscht
die totgeborenen Träume
aus meinen aufgebäumten
Federschuppen
Ich schwimme
mit kraftvollen Stössen
durch die Gewitterwolken.
Countdown
Der Countdown
läuft
nur
übertönt im Moment
vom murmelnden Bach
von gefüllten Knospen.
Der Countdown
läuft.
Verbunden
In deiner
Seele
ganz versunken
du in meiner
Weiss nicht meine
deine Hände
unterwegs
auf langer Reise